Westalpencross 2007
Für das Jahr 2007 haben wir uns eine besondere Alpentour
vorgenommen. Während große Reiseveranstalter mittlerweile die Biker zu tausenden
über die Haupt-Alpencross-Routen der Zentral- und Ostalpen gen Gardasee
begleiten, begeben wir uns in das Gebiet der Westalpen.
Von Sion, im Schweizer Kanton Wallis, starten wir zu einer Rundtour bei der sich
ein Highlight an das andere reiht. So befahren wir Trails an den Hängen des Mt.
Blanc, geniessen die kulinarischen Spezialitäten des Piemont, passieren den Gran Paradiso auf einem ehemaligen kaiserlichen Reitweg. Wir schleppen die Bikes
mehrmals auf über 3000 m um danach 2000 hm am Stück abzufahren. Von einsamen
Trails und vereisten Gletschern aus haben wir einen fantastischen Blick auf das
Matterhorn, um nach 12
erlebnisreichen Tagen wieder in Sion anzukommen. Auf den 12 Etappen werden wir
700 km zurücklegen und dabei 24.000 hm fahrend, schiebend und tragend
überwinden. Eine Tour der Superlative...ein einmaliges Erlebnis.

Siegfried Hügler, Helmut Hägele
1. Tag, Samstag, 04.08.2007,
Sion - Verbier

Nach
einer sechsstündigen Autofahrt stellen wir das Auto an einem
Einkaufszentrum in Sions Süden ab. Wir montieren die Bikes und
radeln gleich los. Das Wetter ist spitze, endlich. Nach unseren
Erfahrungen der vergangenen Jahre keine Selbstverständlichkeit. Die
Auffahrt nach Nendaz ist unspektakulär. Allerdings fällt uns die
Orientierung in den vielen verteilten Häusern und Ortschaften
ziemlich schwer. Ein einheimischer Biker hilft uns weiter und wir
finden so eine Piste im schattigen Wald, die uns bis zum ersten Pass
der Tour, dem Croix de Coeur führt. Hier oben weht ein stetiger
Wind, den unzählige
Gleitschirmflieger zum abheben nutzen. Wir geniessen den ersten
Blick auf das gewaltige Massiv des Mt. Blanc. Wir unterhalten uns
kurz mit drei Schweizer Bikern, die dann den Kiesweg hinunter nach
Verbier nehmen. Das kommt für uns natürlich nicht in Frage. Und nach
kurzer Orientierung ist der Trail unserer Wahl auch schon gefunden.
Flowig und teils extrem steil, S0-S2, führt der Weg hinunter bis direkt in
die Häuser hinein. Da wir erst um 13 Uhr losgeradelt sind ist es nun
schon reichlich spät, und wir können kurz vor Ladenschluss in der
Tourist Info noch ein Zimmer organisieren.
2. Tag, Sonntag, 05.08.2007,
Verbier - Rif. Elisabeth

Am
Abend studierten wir schon die Karte, welcher Weg uns heute ins Tal
führen soll. Wir verlassen Verbier in westlicher Richtung und
treffen wenige Meter nach dem Ortsausgang auf einen Weg der mit "Fussweg"
bezeichnet ist. Genau richtig ,denken wir und biegen ein. An
Heuhütten und Chalets vorbei geht es steil bergab. Teilweise auf
engem Pfad, dann wieder auf grobem Steinbelag schlängelt sich der
Weg in engen Kehren auf S1-S2 Niveau abwärts. Der schwere Rucksack schiebt ganz schön
und wir müssen uns erst noch an das Zusatzgewicht gewöhnen. Bald
sind wir in Sembrancher, wo die Auffahrt zu unserem nächsten Pass,
dem Col Ferret beginnt .
Lange Kilometer auf Asphalt führen uns ins Tal hinein. Nach einem
kurzen Verfahrer finden wir die richtige Auffahrt zur Alm La Peula.
Entgegenkommende Biker zeigen uns, dass wir richtig sind. Ab der Alm
wird der Weg zum Trail, ist aber immer noch grossteils fahrbar.
Mit vernachlässigbaren, kurzen Schiebestücken gelangen wir schnell
auf den Col Ferret. Von hier haben wir eine sagenhafte Aussicht auf
die angrenzenden Gletscher und auf unsere Abfahrt ins Val Ferret
hinunter. Der nun folgende Trail ist wohl einer der besten der
Alpen.
Zunächst
flach dahinrollend, wird er bald sehr steil und windet sich in engen
Kehren talwärts, um kurz darauf wieder über anspruchsvolle
Gesteinsstufen zu verlaufen, S0-S3. Die zahlreichen Wanderer beobachten uns
mit Interesse, manche sind regelrecht entsetzt, als wir vor Ihren
Augen auf für sie nur mit Schwierigkeiten überwindbare Steinstufen
zurollen. Ein japanisches Duo knipst einige unserer Fahrmanöver, als
wir sie auf halber Höhe passieren. Der Trail ist der Hammer und ich
habe während der ganzen Abfahrt ein breites Grinsen im
Gesicht. Unten an der Alm 'pre de Bar' folgen wir nicht dem Fahrweg,
sondern nehmen abermals den Wanderweg. Doch irgendwann hat der Spass
ein Ende und wir vernichten die letzten Höhenmeter auf Asphalt. Im
Tal angekommen biegen wir kurz vor Courmayeur rechts ab ins Val Veny,
hinauf zu unserem nächsten Pass, dem Col Seigne. Steil führt die
Strasse bergwärts und wir kommen ordentlich ins schwitzen. Als
endlich die Asphaltstrasse in einen Kiesweg übergeht und ab hier die
Weiterfahrt für KFZ mittels Schranke unterbunden ist, wird es
endlich
ruhiger.
Nun können wir die wunderbare Landschaft des Val Veny geniessen. Ein
Hochtal mit grünen saftigen Wiesen umrahmt von lauter
Viertausendern, die Ihre zackigen Gipfelgrate gegen den stahlblauen
Himmel strecken. Ein Wahnsinn. Am Ende der Hochfläche sehen wir auch
schon unser Tagesziel, das Rifugio Elisabeth. Zum Schluss wirds
nochmal supersteil und bedingt durch den groben, losen Belag leider
unfahrbar. So schieben wir die letzten wenigen Höhenmeter der Hütte
entgegen und bekommen ein Nachtlager neben Don und Meinrad aus den
USA. Wir parken unsere Bikes auf der Terrasse, der Gipfel des Mt.
Blanc scheint zum Greifen nah. Beim Abendessen lernen wir noch einen
Wandergruppe aus Deutschland kennen, die wir in ein paar Tagen
nochmals treffen werden.
3. Tag, Montag, 06.08.2007,
Rif. Elisabeth - Val d'Isere

Am
Morgen begrüßt uns die Sonne und zaubert ein atemberaubendes
Panorama in die Gebirgslandschaft. Wir fahren dem Col de la Seigne
entgegen. Auf den letzten Metern vor dem Pass müssen wir ab und zu
die Bikes schieben. Es ist zwar nicht unfahrbar steil, aber wir
spüren noch die gestrige Etappe in den Beinen und die dünne Luft
hier oben tut ihr Übriges dazu. Doch die phantastische
Gebirgslandschaft entschädigt uns für die Mühen und wir sind bald
oben angekommen. Von dem Pass führt ein leicht fahrbarer Trail hinab
ins Tal, S0-S1. Viele entgegenkommende, angestrengt wirkende Wanderer
werfen uns neidische Blicke zu, als sie unsere genussvolle Abfahrt
beobachten. Wir vernichten so 700 hm bis wir bei Ville des Glaciers
auf die Strasse stossen, die uns
talauswärts führt. Auf der kaum befahrenen Strasse gelangen wir über
schnelle gerade Passagen, dann wieder über viele aufeinander
folgende Kehren bis nach Bourg St. Maurice. An der ersten Kreuzung
orientieren wir uns kurz und biegen sogleich links ab Richtung Val
d`Isere. Die Sonne brennt auf uns herab und die Höhenmeter addieren
sich nur zäh auf dem Höhenmesser. Über 1000 müssen wir bis Val
d`Isere überwinden. Aber nach einer Vesperpause und ein paar
verzweifelten Rennradfahrern, die uns am Berg einfach nicht kriegen,
vergeht die Zeit wie im Fluge. So sind wir bald in Tigne und dann
auch gleich in Val d`Isere angekommen. Der Ort begrüsst uns mit dem
typischen Charme eines französischen Wintersport-Ortes. Die
angewandte Architektur ist nun
wirklich
nicht jedermanns Sache. Überall wird gebaut und gewerkelt. Da wir
ziemlich zeitig hier sind, überlegen wir hin und her ob wir nicht
weiterfahren sollen. Über den Iseran und runter nach Bonneval. Aber
von Asphaltrollerei haben wir heute eigentlich genug, ausserdem
brennt die Sonne gnadenlos in den Anstieg zum Pass. So entschliessen
wir uns hier zu bleiben, und den heutigen Tag als 'Ruhetag' zu
deklarieren. Über die Tourist Info bekommen wir im Hotel Bellevue
ein günstiges Zimmer. Es ist Markt. Wir schlendern durch die Gassen
an den Verkaufsständen vorbei, unterhalten uns mit einer Deutschen,
die hier eine Wohnung besitzt, und feilschen mit den Marktleuten um
den ein oder anderen Snack.
4. Tag, Dienstag, 07.08.2007,
Val d'Isere - Ref. Petit Mt. Cenis

Heute
Nacht hat es gewittert und ordentlich geregnet. Und auch jetzt, als
wir beim Frühstück sitzen, schüttet es wie aus Kübeln. "Super"
denken wir, wären wir nur gestern schon über den Iseran. So trinken
wir eben eine Tasse Kaffee mehr und bestellen nochmal Brot. Bis wir
unsere Rucksäcke gepackt haben, hört es auch schon auf zu regnen und
die Sonne kommt raus. In erfrischender Morgenluft kurbeln wir den
Col de L`Iseran entgegen. Ein paar Radsportenthusiasten feuern uns aus
dem Auto heraus an "Allez, allez, allez..." während wir unsere
schwerfälligen Stollenreifen über den Asphalt wuchten. Wir sind früh
dran und fast alleine auf der Strasse. Erst kurz vor der Passhöhe
kommen uns die ersten Moppeds entgegen. Oben angekommen suchen wir
den Trail der uns auf der Wanderkarte ein kurzes Stück interessante
Abfahrt verspricht. Ein paar Meter schieben und wieder ein paar
Meter fahren. Naja, wir hatten uns das
besser vorgestellt. Wir sind froh, bald wieder auf der Strasse zu
sein. Da das Wetter mittlerweile mehr als schlecht aussieht, wollen
wir keine weiteren Experimente wagen und rollen auf der Strasse
hinunter nach Bonneval. Mit den ersten Regentropfen kommen wir hier
an und wir stellen uns am Ortseingang unter. Es regnet sich ein.
Schön gleichmässig und ausgiebig. Wir warten und nutzen die
Zwangspause zum Vespern. Uns wird langsam kalt und wir steifen
unsere Regenklamotten über. Als es kurz den Anschein hat, der Regen
würde nachlassen, fahren wir weiter. Doch sofort beginnt es wieder
heftig zu gießen. Egal, wir radeln die Strasse entlang, stellen uns
abermals für eine halbe Stunde unter. Trotz Regen fahren wir weiter
über den Col de la Madeleine und rollen hinunter nach Lanslevillard
hinein. Von hier wollen wir hoch zum Col Mt. Cenis und
weiter
über das Fort Turra und den Col Beccia. Während unserer Auffahrt
regnet es zum Glück nicht, und wir können ohne die lästigen
Regenklamotten bergwärts fahren. Oben, kurz vor dem Pass beginnts
dann wieder zu regnen und wir stehen in dichtem Nebel. Unter diesen
Bedingungen lassen wir die Fahrt über das Fort Turra und den Col
Beccia sein, dies wären noch zusätzliche 800 hm und eine längere
Schiebepassage. Stattdessen fahren wir direkt weiter zum Rifugio
Petit Mt. Cenis, unserem heutigen Tagesziel. Es ist zwar noch recht
früh, aber wir sind ziemlich durchnässt und sind froh ein Dach über
dem Kopf zu haben. Zudem ist der Holzofen in der Gaststube geheizt.
Keine zehn Pferde bringen mich unter diesen Bedingungen wieder nach
draussen.
5. Tag, Mittwoch, 08.08.2007,
Ref. Petit Mt. Cenis - Rif. il Trucco

Das
Wetter sieht heute sehr gut aus. Die Sonne scheint und die letzten
Nebelfelder sind im Begriff sich aufzulösen. Und natürlich wollen
wir unter diesen Bedingungen das nachholen, was wir gestern
wetterbedingt auslassen mussten. Das Fort Turra und den Col Beccia.
Als wir zum Col Mt. Cenis zurückfahren sehen wir erstmals den Lac
Mt. Cenis, der sich gestern im Nebel versteckt hielt. Wir fahren
zurück bis zum Abzweig und dann hoch zum Fort Turra. Auf guter Piste
fahren wir bergwärts. Oben angekommen sind wir beeindruckt von der
exponierten Lage und der Ausdehnung der ehemaligen Wehranlage. Wir
schauen uns lange um, erkunden einige der dunklen, in den Fels
gebohrten Stollen und fahren weiter zum Col Beccia. Haben
wir doch heute noch einiges an Strecke vor uns, denn nach dem Col
Beccia wollen wir über den Col Clapier. Kaum sitzen wir auf den
Bikes beginnt es wieder zu regnen. Aber fahren können wir eh nicht
lange, denn bald ist Schieben angesagt. Den Weg zum Beccia können
wir im mittlerweile aufgezogenen Nebel nur erahnen. Da es dann auch
noch zu hageln und zu donnern beginnt, entschliessen wir uns zur
Umkehr. Der Fussweg bis zum Pass war mit über einer Stunde
angegeben, und wir hätten noch mindesten 45 Minuten vor uns. Bei den
Bedingungen kein Spass. So rollen wir auf gleichem Weg wie wir
gekommen sind zurück zum Col Mt. Cenis. Unten am See sehen wir rüber
ins Val Savine, wo wir eigentlich hin wollen. Dort hängt das
Unwetter ganz dick drin und wir
entscheiden
uns schweren Herzens auf der Strasse hinunter nach Susa zu fahren.
Wir umfahren den See auf der rechten Seite auf einer guten Piste,
'Tour du Lac' steht auf dem Schild. Und bis wir das Ende des Sees
erreicht haben, beginnt es wieder heftig zu regnen. Wir stellen uns
im ehemaligen Grenzhäussen unter, das früher den Grenzverkehr
zwischen Frankreich und Italien kontrollierte. Während wir da so
stehen stellen wir fest, dass die vorbeikommenden Autos ihr Tempo
verlangsamen. Sie halten uns wohl für Grenzbeamte. Wir machen uns
einen Spass daraus, und winken alle freundlich durch. Als es nicht
mehr ganz so stark regnet fahren wir weiter 'nach Italien'. Bei der
Abfahrt werden wir wieder richtig nass. Wir fahren langsam, da es
mittlerweile sehr kalt geworden ist. Erst kurz vor Susa hört es auf
zu regnen und in
der Stadt können wir
endlich wieder die Regenklamotten ablegen. Von
hier steht jetzt noch ein Anstieg über 1200 hm an. Wir wollen hoch
zum Rifugio il Trucco. Das Wetter sieht nicht schlecht aus und wir
erklimmen Kehre um Kehre. Viele kleine Strässchen zweigen ab und wir
müssen oft auf die Karte schauen, um nicht ins falsche Tal
abzubiegen. Auf dem kleinen, von grünem Urwald eingerahmten
Strässchen ist so gut wie kein Verkehr. Einige Male kreuzen wir den
Wanderweg 'GTA', Grand Traversata delle Alpi, dessen Grobrichtung
wir ab heute folgen werden. Wir sind noch nicht ganz am Rifugio
angekommen, da beginnt es schon wieder zu regnen. Wir legen einen
Zahn zu, laut Höhenmesser kann es nicht mehr weit sein. Und genau zu
dem Zeitpunkt, als es richtig zu Schütten beginnt, kommen wir am Il
Trucco an. Punktlandung!
Die freundlichen Wirtsleute heissen uns willkommen und verköstigen
uns am Abend vorzüglich. Der angeheizte Kamin ist bald von uns und
unseren feuchten Klamotten umlagert. Die Wärme tut gut nach der
heutigen nassen Etappe. Wir unterhalten uns noch lange mit einem
belgischen Wanderer-Paar, das dem GTA folgt. Und mit 2
österreichischen Wanderern, die morgen auf den "Val di Susa"
Höhenweg wollen. An den Fragestellungen der Österreicher merken wir,
dass die zwei einen völlig falschen Eindruck vom Radfahren und
speziell vom Mountainbiken haben. So meinen sie, da wir ständig beim
Fahren auf den Boden schauen müssen, würden wir den ganzen Tag
nichts von der Landschaft sehen. Und noch weitere für uns
verwunderliche Aussagen kommen zu Tage. Wir versuchen alles richtig
zu stellen und überreichen ihnen noch eine noBrakes Visitenkarte.
Nachts regnet und stürmt es heftig, die Temperaturen fallen bis fast
auf den Gefrierpunkt. Dem belgischen Paar steht eine harte Nacht im
Zelt bevor, wir sind froh im Haus zu sein.
6. Tag, Donnerstag, 09.08.2007,
Rif il Trucco
- Albergo Sistina

Kurz
nach 6 Uhr ist die Nacht vorbei. Nicht etwa wegen der Sonne, die
versucht durch das angelaufene Fenster zu scheinen. Nein, es sind
die angeregten Diskussionen unserer Zimmernachbarn. Die Zimmer sind
sehr hellhörig und wir verstehen jedes Wort. Es wird über
hochgeistige Themen diskutiert, zu denen ich morgens zu der Uhrzeit
überhaupt gar keinen Zugang finde. Naja, wir sehens gelassen und
nutzen die Zeit um als erste am Frühstückstisch zu sitzen. Die
beiden Belgier im Zelt haben wohl kaum ein Auge zugetan wegen des
Sturms. Ausserdem war es wohl eiskalt. Es hat bis auf ca. 2500
herab geschneit in der Nacht. Die beiden Österreicher wollen heute
auf den Höhenweg. Wir essen unser
Frühstück auf und machen uns auf
den Weg. Bis zur Alp Arcella ist alles fahrbar aber dann führt der
GTA auf einem steilen Weg nach oben. Wir folgen der Markierung für
die nächsten 500 hm zu Fuss. Oben auf dem Kamm ist dann alles wieder
fahrbar, S0. Am Croce die Ferro angekommen, müssen wir uns erst mal warm
anziehen. Es weht ein eisig kalter Wind, und wir spüren so, dass nur
wenige Meter über uns Neuschnee liegt. Das ist aber alles halb so
wild, denn bei der
nun folgenden Abfahrt wird es uns ganz schön warm. Ein mit groben
Steinplatten ausgelegter Weg führt talwärts. Zunächst in weiten
Schleifen und nicht sonderlich steil, S1. Teilweise aber ganz
schön
verblockt und man muss schon genau die richtige Linie suchen. Unten
raus wirds dann richtig interessant. Enge Kehren, tiefe Rinnen und
grobes Gestein, S2-S3. Wir müssen auf den Bikes richtig arbeiten, und ich
schnaufe fast mehr als beim Bergauffahren. Eine entgegenkommende
Wanderin sagt nur "you are crazy" als ich sie an einem total
verblockten Abschnitt passiere. Ihr Begleiter steht mit
heruntergeklappter Kinnlade daneben. Das motiviert mich nur noch
mehr eine saubere Linie zu
fahren. So kommen wir wieder gut aufgewärmt am Lago Malciaussia an.
Von hier gehts auf einer schönen Strasse mit vielen engen Kehren
weiter. Es rollt wie von alleine, bis wir in Viu sind. Von hier, der
Stadt des
Pinnochio, fahren wir über den Truc della Dieta nach
Mezzenile und nach Ceres. Hier erkundigen wir uns in der Tourist
Info nach einer Übernachtungsmöglichkeit, möglichst in Monastero di
Lanzo, da dies auf unserer Strecke liegt und wir noch etwas Zeit
haben. Das nette Mädchen kann uns sogar gleich ein Zimmer im Albergo
Sistina reservieren und wir können entspannt die letzten 500 hm in
Angriff nehmen. Der Gasthof liegt etwas versteckt und wir müssen
mehrmals fragen, bis wir ihn finden. Als wir ankommen, werden wir
vom Wirt schon erwartet und mit Handschlag begrüßt. Die nette,
familiäre Atmosphäre setzt sich beim Abendessen fort. Die Bedienung
gibt sich alle Mühe aber wir verstehen leider nicht, was sie uns
sagen will. Wir können ihr nur verdeutlichen, dass sie, egal was sie
uns anbietet, es einfach nur bringen soll. Dies sollte dann zu
unserem ersten 7 Gänge-Abendessen werden. Eine exklusive, regionale
Spezialität folgt der anderen. Ein kulinarisches Erlebnis, eine
Gaumenfreude par excellence. Es
gefällt uns hier im Piemont.
7. Tag, Freitag, 10.08.2007,
Albergo Sistina
- Noasca

Ganauso
umfangreich wie das Abendessen ist auch das Frühstück. Wir essen
lange, bevor wir uns auf den Weg machen. Es ist wieder bestes Wetter
und wir sind gespannt, was uns die heutige Etappe bringen wird. Es
soll ein ziemlich unwegsamer Trail mit schwerster Orientierung sein,
dem wir heute folgen wollen. Na, schauen wir mal. Zunächst geht es
auf Asphalt und Schotter bergwärts. Am Lago di Monastero vorbei, die
Hüle (Dorfteich) in meiner Heimatdorf ist grösser, gelangen wir auf einen Pass, von
dem wir zunächst glauben, es wäre der Col Gavietta. Ich muss
dazu sagen, wir hatten keine vernünftigen Karten von dem Gebiet. Wir
überqueren den Pass, es geht auch ein Fussweg weiter. Aber irgendwie
zweigt dieser ins falsche Tal ab und wird eher zum Steig. Wir sind
skeptisch und kehren vorsichtshalber um. Nach kurzer Nachfrage an
der Alm Costapiana und der Alm Coassolo finden wir den richtigen Weg
und gelangen auf den
richtigen
Col Gavietta, der nun auch mit einem Schild gekennzeichnet ist. Wie
sich später herausstellt, war unser erster Pass der Col Perascritta.
Nun sind wir richtig und begeben uns auf der anderen Seite ins Tal.
Leider ist nicht viel mit Fahren. Zu unwegsam und verwachsen ist der
Weg. An einigen Stellen müssen wir über mehrere Meter hohe
Steinstufen hinunterklettern und uns die Bikes hinunter reichen.
Zunächst ist der Weg kaum zu verfehlen, aber bei den ersten
Almgebäuden ändert sich das. Alle Spuren verlaufen sich und wir
schauen ratlos umher und versuchen irgendwo eine Spur auszumachen.
Vergeblich. So laufen wir mehr oder weniger Querfeldein in Richtung
Tal, bis wir wieder zu den nächsten Almgebäuden kommen. Bei Nebel
kann man sich hier mangels Weg ganz schön vertun. Zum Glück haben
wir heute gute Sicht. Ab den weiteren Almgebäuden ist der Weg dann
wieder auszumachen und teilweise
sogar
fahrbar. Allerdings auf anspruchsvollem S2-S3 Niveau. Die meisten
der Almen sind bewohnt und die Leute sind sehr interessiert an uns.
Wo wir herkommen, wo wir hin wollen, was die Bikes wiegen. Wir
freuen uns über die kurzen Gespräche, wenn wir auch nicht viel
verstehen. Lockern sie doch die eintönige Schieberei etwas auf, mit
der wir schon seit knapp 2 Stunden beschäftigt sind. Nach den
Almgebäuden gelangen wir in lichten Wald, und auch hier verläuft
sich der Weg wieder. Ohne Wegweiser, ohne Markierung und wir suchen
wieder lange nach dem richtigen Abzweig. Wir verlassen uns auf unser
Gefühl und sind glücklicherweise richtig. Teilweise geht immer ein
kleines Stück zu fahren. Aber ein richtiger Flow kommt leider nicht
zustande. Irgendwann, nach ungefähr 3 Stunden Orientierungsarbeit
haben wir es dann doch geschafft und kommen in dem kleinen Dorf
Molera an. Wir füllen am Brunnen kurz unsere Wasservorräte auf und
rollen auf Asphalt weiter talwärts nach Locana. Hier kaufen
wir erst mal ein und machen eine ordentliche (Nach)Mittagspause. Die
Schieberei und Wegsuche hat viel Zeit und Kraft gekostet und es ist
schon ca. 16:00 Uhr. In der örtlichen Tourist Info lassen wir in
Noasca ein Zimmer reservieren. Das Albergo Cascata wird uns diese
Nacht beherbergen. So rollen wir die letzten 400 hm gemütlich der
Sonne entgegen bis zu unserem Ziel. Auch hier im Cascata ist das
Abendessen wieder so umfangreich, wie es wohl im Piemont üblich ist.
Wir müssen sogar etwas zurück gehen lassen, da wir wirklich papp
satt sind. Die Krönung des Abendessens war eine gemischte
Fleischplatte, die man selbst auf einem heissen Stein am Tisch nach
belieben grillen konnte. Mir läuft jetzt noch das Wasser im Munde
zusammen, wenn ich nur dran denke. Wie schon gesagt, es gefällt uns
hier im Piemont.
8. Tag, Samstag, 11.08.2007,
Noasca - Eau Roussex

Heute
steht uns ein ganz schöner Bocken bevor. Auf der Karte sah es gar
nicht so schlimm aus, aber wenn ich nun das Höhendiagramm sehen,
weiss ich, warum es mich so angestrengt hat. 1500 hm am Stück, und
das gleich nach dem Frühstück. Das Wetter zeigt sich wieder von
seiner besten Seite und wir radeln früh los. Auf der Strasse zum Col
Nivolè sind wir zunächst die einzigen Radler weit und breit.
Erst gegen später tauchen die ersten Rennradler auf und wir können
den ein oder anderen ganz schön ärgern. Vom Col Nivolè gehts wieder
ein Stück runter und wir halten uns auf der Piste links des
Taleinschnitts. Diese Piste kreuzt irgendwann ein Wanderweg, dem wir
nach oben folgen. ca 130 hm schieben wir bergwärts um oben auf den
ehemaligen kaiserlichen
Reitweg
zu gelangen. Dieser entpuppt sich als ein wahrer Traumtrail. Kaum
verblockte Passagen, dafür immer flowig und mit leichtem Gefälle am
Hang entlang. Ein genussvoller S0-S1-Spass. Wir müssen uns
regelrecht zum Anhalten zwingen um es nicht zu versäumen, den
fantastischen Trail mit der grandiosen Kulisse des Gran Paradiso im
Bild festzuhalten. Die 200 hm zum Col di Mento sind fahrend machbar,
und auf der folgenden Abfahrt geht der Spass weiter. Im oberen Teil
ist der Weg etwas verfallen und wir müssen über grobe
Gesteinsbrocken schieben.
Dafür kommt jetzt Abwechslung in Form von engen Spitzkehren, high
Speed-Abschnitten und kniffligen Steinstufen. Ein Genuss. S2-S3
würde ich sagen. Siggi holt sich an einer der aufgestellten
'Anti-Erosions-Steinplatten' einen Durchschlag. Die erste Panne der
Tour. Die Steinplatten stehen quer zum Weg und manche kommen dem
Kettenblatt bedrohlich nahe. Kurz darauf der zweite Plattfuss, was
dann auch der letzte unserer Tour sein wird. Völlig 'high' vom
Trailfieber kommen wir am Casa Orvieille an. Wir vermuten, dass es
hier nun auf Schotter ins Tal geht. Aber
weit
gefehlt. Der Spass scheint kein Ende zu nehmen. Auf zunächst super
anspruchsvollem Steintrail (S2-S3) geht es im Wald los und wir
nehmen den Abzweig nach Eau Roussex. Weiter auf Steinbelag und
später auf erdigem Waldboden geht es in engen aber gut fahrbaren
Kehren bis ganz ins Tal hinab. 10 Meter vor dem Hotel Paradies
spuckt uns der schier endlose Traumtrail in Eau Roussex aus. Hier
bekommen wir auch ein Zimmer. Nur scheinen wir heute ein für das
Piemont eher unübliches Abendessen zu bekommen. Warum? Das
Abendessen ist für unsere Verhältnisse als sehr 'übersichtlich' zu
bezeichnen. Das Hotel macht einen auf Nobel, und versucht dies mit
kleinen Portionen zu unterstreichen. Die deutschen Wanderer, die wir
im Rif. Elisabeth kennen gelernt haben, sind auch hier.
9. Tag, Sonntag, 12.08.2007,
Eau Roussex - Rif Sogno di Berdze

Was
wir beim Abendessen vermisst haben, finden wir jetzt beim Frühstück.
Ein reichlich gedecktes Buffet kommt unseren knurrenden Mägen gerade
recht. Heute stehen zu Beginn 1600 hm am Stück zum Col Lauson an.
Die ersten Meter müssen wir schieben, aber dann ist zu unserem
Erstaunen nahezu alles fahrbar. Der Eindruck auf der Karte liess
eine mühselige Schieberei erwarten. Aber so ist es uns natürlich
lieber. Steil ist es trotzdem und wir
passieren bald die 2000 m Grenze. An friedlich grasenden Steinböcken
und Gemsen vorbei ziehen wir bergwärts. Das Wild scheint Menschen
gewohnt zu sein. Als wir zu nahe kommen, gehen sie ganz gemächlich
ein paar Schritte weiter. Wir machens genauso und radeln gemütlich
unseres Weges. Kurz vor der 3000 m Marke wird dann aber der
Weg
zum Steig wir müssen ab hier schieben. Die Luft ist hier oben ganz
schön dünn, und wir kommen entsprechend langsam voran. Auf den
letzten 300 hm liegt noch ordentlich Schnee und es ist wesentlich
leichter, das Bike nun zu tragen. Allerdings gibt es einige Stellen
an denen der Weg Biker plus Bike nicht tragen kann. Geht man einen
Schritt hoch, rutscht man einen halben Meter zurück. Der Granitsand
ist mit Schmelzwasser versetzt, und bildet einen schwer zu
begehenden Brei. Wir arbeiten uns Kehre um
Kehre voran, das Ziel immer im Blick. Der Pass zeichnet sich in
scharfer Kontur vom stahlblauen Himmel ab. Schneller als Gedacht
sind wir oben und geniessen die Aussicht vom zweithöchsten Punkt
unserer Tour. Wir bleiben einige Zeit oben. Viele der nun
heraufkommenden Wanderer sind verwundert, hier oben Fahrräder zu
sehen. Wir flachsen: "...there's a street on the other side".
Zum
nächsten sagen wir: "...brought it with a heli". Wir haben so
schnell ein lustige Runde beieinander, die uns bei der nun folgenden
Abfahrt erwartungsvoll zusieht. Die ersten paar Kehren bestehen aus
dem gleichen Granitbrei wie auf der anderen Seite. Bei Trockenheit
und entsprechend sicherer Fahrtechnik bestimmt fahrbar, aber wir
schieben lieber die paar Meter. Als der Weg nicht mehr gar so steil
ist und der Untergrund besser verfestigt ist, steigen wir auf und
rollen die ersten Meter. Zunächst an einem Seil vorbei, das den
Wanderern Sicherheit geben soll, dann auf weniger ausgesetzten
Sektionen im S1-S2-Grad hinunter. Wir geniessen die Abfahrt, ist sie
doch schön flowig und teils mit ordentlich Speed zu fahren. Viel zu
schnell sind wir schon am Rifugio Vittoria Sella. Hier schauen wir
erst mal nach der Bremse an Siggis Bike, die seit dem Morgen etwas
Öl von sich gibt. Aber
blinder Alarm. Der Druckpunkt ist da, funktionieren tut sie auch,
also weiter. Auf nun etwas sehr anspruchsvollem Trail geht es
hinunter. Viele Treppen und leider auch viele Wanderer befinden sich
auf dem Weg. Aufgrund der vielen Leute ist es teilweise unmöglich
eine Fahrlinie auszumachen, und wir schieben an einigen Stellen
besser. Zudem ist es saumässig steil. Unten raus wirds wieder besser
und wir können wieder alles fahren. Als wir nahe Cogne auf den
Asphalt kommen endet wieder eine super Trailabfahrt. Wir rollen
talauswärts nach
Cogne
und überlegen hier zu übernachten. Die Dame in der Tourist Info
meint aber was anderes. Es ist nur noch ein Zimmer für über 200€
frei. Nicht gerade die Preisklasse für 2 verstaubte Alpencrosser wie
uns. Von Carsten (www.schymik.de),
der vor 2 Wochen schon hier war, wissen wir, dass es ein Stück
weiter ein Rifugio auf unserer Strecke gibt, welches nicht auf
unserer Karte verzeichnet ist. Die Dame in der Info
ruft an, Betten sind frei, also los. Zuvor kaufen wir noch Proviant
für den nächsten Tag, essen eine Pizza und machen uns auf die
letzten 1000 hm für heute. Auf Strasse und später gutem Schotterweg
geht es hinauf zum Rifugio 'Sogno di Berdze'. Wir bekommen ein
eigenes Zimmer und das Abendessen ist super. Wir unterhalten uns
noch lange mit 3 italienischen Radlern, die gerade am Ende einer
Rundtour sind und morgen nach Hause ins Aostatal fahren.
10. Tag, Montag, 13.08.2007,
Rif Sogno di Berdze - Rif Barmasse

Am
Morgen verabschieden wir uns von den 3 Italienern. Der Hüttenwirt
mach noch ein gemeinsames Foto und wünscht uns alles Gute für die
weitere Reise. Wir fahren, bzw. schieben bald hinauf zum Col
Pontonnet. Hier oben schauen wir uns eine Weile um, wie es denn
weiter gehen solle. Aber es bleibt nur eine Richtung. Hinüber zum
Col Fenis und dann links runter ins Tal. Oben beginnt es in einem
Geröllfeld, wir folgen den gelben Markierungen und werden auf die
linke Talseite geleitet. Nach wenigen Metern sehen wir, dass an dem
Weg gearbeitet wird, bzw. dass hier ein neuer Weg entsteht. So
trailen wir auf frisch angelegtem Weg bis zu einer Steiltraverse.
Hier müssen wir schieben, da es absolut zu steil ist. Der Weg ist im
Mittelteil auch noch nicht fertig gestellt. Unten jedoch sehen wir
die Arbeiter, wie sie den
Weg von unten herauf anlegen. Als wir bei ihnen ankommen, spricht
uns der Vorarbeiter an, es wären vor ein paar Tagen schon mal welche
mit dem Rad hier runter gekommen. Wir versprechen den Weg auf
Fahrbarkeit zu testen und fahren los. Nach den ersten paar neu
angelegten Testkehren bedeuten wir ihnen, dass der Weg super ist,
und wir freuen uns schon auf den weiteren Verlauf. Denn nun folgt
wieder ein traumhafter Trail, der uns mit leichten Gefälle bis zur 'grand
Alpe' führt. Super. Hier angekommen, kommen gerade ein paar
einheimische Jugendliche auf ihren Bikes vorbei. Sie sind wohl auf
ihrer Trainingsrunde unterwegs. Wir bereden kurz unser Ziel und
fahren dann gemeinsam Richtung Tal. Der Junge auf seinem
Carbonhardtail lässt es ganz schön
krachen
und ich habe alle Mühe mit meinem Fully dran zu bleiben.
Streckenkenntnis bringt bei hoher Geschwindigkeit doch ein paar
Vorteile. Der kurvige Schotterweg wird bei der Geschwindigkeit ganz
schön eng, ein zu Tal kriechender Jeep wird kurzerhand auf
italienisch aus dem Weg geschrien. Zwischendrin warten wir auf
den Rest der Gruppe, und ich frage Ihn nach Singletrails, die ins
Tal führen. Er nickt und sagt, wir sollen ihm folgen. Ein paar
Kehren vernichten wir noch auf der Strasse. Dann wird unser 'local
Guide' langsamer, blickt kurz um und sagt "Singletrack" um dann kurz
darauf im Wald zu verschwinden. Wir folgen schnell, um nicht den
Anschluss zu verlieren. Steil geht es auf anspruchsvollem Trail
hinunter, um Bäume herum, in Senken hinein und Anlieger, einfach
klasse. In Barche dann trennen sich unsere Wege und wir fahren
weiter nach Chambave, wo wir erst mal Mittagspause machen. Gut
gestärkt fahren wir jetzt über unzählige Kehren hinauf zum Col des
Bornes. Bis hierher war die Wegfindung noch einfach. Danach stimmt
unsere Karte mit der Wirklichkeit nicht so ganz überein, und auch
die Wegweiser sind wenig aussagekräftig. Wir stehen an jedem der
zahlreichen Abzweige, Kreuzungen und Weggabeln und überlegen,
welcher wohl der Richtige wäre. Das kostet uns viel Zeit und vor
allem Nerven. Für die letzten 18 km des Tages brauchen wir so eine
gefühlte Ewigkeit. So sind wir trotz der nicht aussergewöhnlichen
Fahrleistungen heute schon ziemlich platt, als wir endlich am
Rifugio Barmasse am Lago di Cignana ankommen. Zum Glück bekommen wir
ein Zimmer, da stört es uns auch nicht, dass die Dusche kalt ist.
11. Tag, Dienstag, 14.08.2007,
Rif Barmasse - Rif Teodulo

Nachts
regnet es kräftig. Während ich so im Bett liege und die Regentropfen
auf das Blechdach prasseln, male ich mir aus, wie wir am Morgen in
den Regenklamotten losfahren. Aber kaum haben wir das
Frühstücksbuffet leer geräumt, lichtet sich der Nebel und die Sonne
bricht durch. In phantastischer Morgenstimmung radeln wir bei
eisigen Temperaturen über die Staumauer am Lago Cignana vorbei und
hinauf zum Fin. di Cignana. Die letzten paar Meter bis
zum Pass müssen wir schieben. Laut Karte müssten wir von hier oben
eigentlich das Matterhorn sehen. Aber leider ist noch zu viel Nebel,
so dass wir nur in eine weisse Wand blicken. Trotzdem lassen wir uns
den Spass auf dem nun folgenden Trail nicht vermiesen. Es ist wieder
eine Abfahrt der Spitzenklasse. Ein flowiger Trail am Hang entlang,
zunächst leicht abfallend, S0-S1. Und kaum sind wir um die erste
Ecke gebogen, da lichtet sich der Nebel. Erst zögerlich, dann immer
mehr. Und dann bekommen wir es zu sehen, die markante Felsformation,
der bekannteste Berg der Schweiz, der Traum eines jeden
Bergsteigers: das
Matterhorn!
Wir wechseln nun ständig ab zwischen fahren, kucken und knipsen. Der
Nebel hat sich komplett verzogen, und ein paar Wolken um den Gipfel
geben einen guten Kontrast für die Fotos. Der Trail wird immer
anspruchsvoller auf S2-S3-Niveau und wir haben ganz schön zu
kämpfen. Nicht nur einmal kratzt das Schaltwerk an einem der
wegbegrenzenden Felsen. Ist wirklich nicht einfach, aber super
technisch zu fahren. Schön langsam und schön kontrolliert trailen
wir zu Tal. Und das zu unserer und zur Freude der heraufkommenden
italienischen Wanderer, die
uns sofort den Weg frei machen und unsere Fahrt lautstark
kommentieren: "bravissimo, phantastico ... mamamia ...". In
Deutschland undenkbar. Es ist einfach schön, in Italien Rad zu
fahren. Als uns der Trail unten auf die Asphaltstrasse entlässt,
bemerke ich ein komisches Rattern an meiner Schaltung. Bin ich wohl
doch einem Stein etwas zu nahe gekommen. Erst denke ich, ich wechsle
das Schaltauge und weiter geht's. Bei genauerem Betrachten stellt
sich aber heraus, dass die obere Schaltrolle gebrochen ist. Es fehlt
einfach die Hälfte. Wie konnte das nur passieren? Nun, egal. Zum
Glück habe ich dafür Ersatz dabei. Eigentlich, weil man eine
Schaltrolle ja gerne mal verliert, wenn die Schraube sich lockert.
Aber dass das
Zahnrad
auseinander bricht ist uns noch nie unter gekommen. Dank des
Ersatzteils ist die Reparatur schnell vorgenommen, und wir fahren
auf der Strasse weiter nach Breuil. In den Strassen herrscht reges
Treiben und wir suchen einen Supermarkt um unser Proviant
aufzufüllen. An einem Pizzastand nehmen wir noch Kohlehydrate zu
uns, bevor wir die Auffahrt zum Rifugio Teodulo suchen. Erst auf
Asphalt, dann auf Schotter geht es steil bergan. Eine steile Rampe
folgt der anderen. Siggi drückt hier alles hoch, ich schone meine
Kräfte und schiebe ab und zu. Ich bin deswegen kaum langsamer, und
wer weiss, wie anstrengend es jenseits der 3000 m noch wird.
Denn auch heute werden wir die letzten 300 hm tragend und
vermutlich im Schnee hinter uns bringen müssen. Der Himmel macht
während unserer Auffahrt zu und es zieht etwas Nebel auf. Aber zum
Glück nicht so stark, dass wir Orientierungsprobleme bekommen. Bis
ca. 3000m reicht der Fahrweg, der eigentlich nicht zu verfehlen ist.
Dann folgen wir konsequent der gelben Markierung und weichen
teilweise auf das rechts neben dem Schneefeld gelegene Geröll aus.
So kommen wir ohne gross durch den Schnee laufen zu müssen relativ
schnell am Rifugio Teodulo an. Wegen des aufgezogenen Nebels ist es
recht frisch hier oben, und wir verziehen uns schnell ins Innere der
Hütte. Dies ist heute der höchste Punkt unserer Tour und zugleich
auch die höchste Übernachtung auf 3317 m. Das wird natürlich mit
einem kühlen Birra Moretti begossen.
12. Tag, Mittwoch, 15.08.2007,
Rif Teodulo - Sion

Seit
4 Uhr ist die Nacht vorbei. Die Bergsteiger, die auf das Breithorn
gehen, brechen früh auf und machen dabei ganz schön Radau. Wir
hingegen haben's nicht so eilig, und warten bis die ersten
Sonnenstrahlen zum Fenster hereinlugen. Nach ausgiebigem Frühstück
mit Matterhornkulisse brechen wir in der Morgensonne auf. Auf dem
zur Skipiste präparierten Theodulgletscher fahren wir
entlang des Liftes ins Tal. Im oberen Teil ist noch alles gut
gefroren und entsprechend einfach zu befahren. Je weiter wir an Höhe
verlieren desto weicher wird der Schnee und es bedarf einiger
Fahrkünste, um in der Spur zu bleiben. Eine Seilschaft quert den
Gletscher gerade in
dem
Moment, als wir hinunterfahren. Einer der Bergsteiger fragt
interessiert nach unserer Ausrüstung: habt Ihr
Spikes, woher kommt
Ihr usw. Er macht gerade mit der Gruppe einen Spaltenrettungskurs.
Wir fahren weiter bis zum 'Trockenen Steg'. Da das Wetter und die
Kulisse gerade einmalig sind, verbringen wir viel Zeit mit Fotoshooting. Ab dem
'Trockenen Steg' nehmen
wir den Trail hinunter Richtung Zermatt. Ein super Trail mit nur
kurzen Schiebepassagen. Schwierigkeit S0-S2. Das Gestein ist vom
Schmelzwasser oft nass und
macht einige Sektionen erheblich
schwieriger als sie unter trockenen Bedingungen wären. Ab Furgg geht
es auf der Skipiste weiter. Die ist aber keineswegs langweilig, da
sie zum Einen mit grobem Gestein belegt ist und zum Teil
super steil ist. Unten in Zermatt schauen wir nochmals zurück auf
die Kulisse des Matterhorns bevor wir
uns im Touri-getümmel durch den
autofreien Ort kämpfen. In schneller Fahrt folgen wir der Strasse
talauswärts und wir sind bald in Visp angekommen. Von hier folgen
nun 60 schnelle Windschattenkilometer. Das Wetter ist nach wie vor
gut, und wir scheinen etwas Rückenwind zu haben. Den Tacho können
wir zwischen 25 und 30 halten und so sind wir in gut 2 Stunden in Sion
(Sitten) und an unserem Auto angekommen, und somit am Ende unserer Tour. Eine Tour
über 12 Tage, eine Tour über unzählige Höhen- und Kilometer. Eine
Tour deren Eindrücke wir erst mal verarbeiten müssen.
...Eine Tour die wir nie vergessen werden...!
Helmut Hägele
Helmut Hägele, Siegfried Hügler - September 2007
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